Trennung überwinden

Eine Trennung kann sehr belastend sein

Trennungen erfordern sowohl körperliche als auch geistige Kraft. Sie kommen mit vielen Veränderungen und Entscheidungen einher, deren Resultate wir nicht voraussehen können. Es bedeutet oft weiterzugehen, auch wenn man eigentlich gerade alles hinschmeißen möchte. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten schwindet, weil es nicht so leicht ist, einen guten Ausweg zu finden oder weil man sich ständig in Frage stellt. Oft kommen noch Schuldgefühle dazu: Hätte die Trennung verhindert werden können? Warum hat man sich auf diese Beziehung überhaupt eingelassen, etc. Man kann sich in solchen Situationen sehr schnell mental verrennen, was den Trennungsstress noch erhöht.

Selbstmitgefühl kann Abhilfe schaffen

Kristin Neff, Ph.D., Forscherin und Spezialistin für Selbstmitgefühl, hat durch zahlreiche Studien erwiesen, wie Achtsamkeit und Selbstmitgefühl uns in Krisensituationen gut begleiten können und Stress, Angst und Depression vorbeugen. Der Ansatz von Achtsamkeit und Selbstmitgefühl nach Kristin Neff orientiert sich an drei Prinzipien:

  1. Achtsamkeit: Die Situation im Hier und Jetzt erkennen und benennen.
  2. Menschlichkeit/menschliche Verbundenheit: Unsere Herausforderungen sind menschliche Herausforderungen, sie verbinden uns mit anderen.
  3. Freundlichkeit: Du darfst nett zu dir sein.

Hier möchte ich einmal beschreiben, wie dies nach einer Trennung funktionieren kann.

Schritt 1: Erkenne die Situation im Hier und Jetzt

Unabhängig davon, wie eine Trennung zustande gekommen ist, entstehen Gefühle. Diese dürfen erkannt und benannt werden. Oft sind es sehr unangenehme Gefühle: Angst, Trauer, Schuld oder Scham. Wir denken häufig, dass das Analysieren und Verstehen das Wichtigste ist, um eine Trennung zu verarbeiten, doch das führt eher zu ständigem Grübeln. Wir drehen und wenden die Situation und haben vielleicht schon viel verstanden, doch irgendwie hört das Denken nicht auf. Es führt zu Unruhe und hält uns in der Situation fest.

Was bedeutet achtsam sein in so einer Situation?

Achtsamkeit bedeutet in so einer Situation, sich sowohl mental als auch emotional zu ertappen, ohne sich zu bewerten. Das könnte sich ungefähr so anhören:

– „Oh, ich kann gar nicht aufhören, über diese Situation nachzudenken. Das lässt mir keine Ruhe.“

– „Das ist eine schwere Situation, es fällt mir nicht leicht, damit umzugehen.“

– „Das macht mich traurig.“ „Das macht mir Angst.“ „Ich fühle mich schuldig.“ „Ich schäme mich.“

In jedem Fall geht es darum, zu benennen, ohne zu bewerten. Dass du Angst oder Scham erkennst, bedeutet nicht automatisch, dass du sie als gut oder schlecht bezeichnen musst. Es fühlt sich zwar schlecht an, aber es ist nichts Schlechtes an dir, dich so zu fühlen. Es geht auch nicht darum, die Situation zu reparieren. Auch wenn es unangenehme Gefühle sind, sie sind erst einmal Teil der Situation.

Schritt 2: Erkenne deine Menschlichkeit

Eine Trennung führt oft zu großem Schamgefühl und Scham führt zu Abgrenzung. Brené Brown definiert Scham als das Gefühl, nicht gut genug zu sein, um dazuzugehören, bzw. geliebt und akzeptiert zu werden. „Scham kommt auf, wenn wir das Gefühl haben, dass etwas, das wir erlebt, getan oder versäumt haben, uns unwürdig für Verbindung zu anderen macht.“ (Brené Brown).

Bei einer Trennung sehen wir oft die Paare, die noch zusammen sind und es schaffen, ihre Beziehung zu erhalten, während wir „versagt“ haben. Nach dem Prinzip der Menschlichkeit gibt es jedoch keine Situation im Leben, die nicht ein anderer Mensch schon mal vor dir erlebt hat. Trennungen gehören zum Leben dazu. Fast alle Menschen auf der Welt haben schon mal eine Trennung durchlebt und hatten in irgendeiner Form damit zu kämpfen, weil es einfach keine leichte Situation ist.

Es ist also hilfreich, dir vor Augen zu führen, dass du in einer menschlichen Situation bist, mit der viele andere sogar jetzt gerade in diesem Moment auch zu kämpfen haben.

Schritt 3: Was brauchst du jetzt gerade?

Während einer Trennungsphase denken wir viel darüber nach, was wir alles falsch gemacht haben oder hätten besser machen können. Wir überlegen selten, was uns gerade helfen würde, also welche Worte oder Gesten uns Erleichterung geben könnten.

Was würdest du einem guten Freund sagen, wenn er in deiner Situation wäre? Würdest du ihn genauso streng hinterfragen wie dich selbst? Du darfst nett zu dir sein und mitfühlend mit dir selbst umgehen. Du darfst dir auch mal so etwas sagen wie: „Du machst das schon alles ganz gut. Es ist keine leichte Situation, aber du bist auf dem richtigen Weg.“

Schritt 4: Was KANNST du anders machen?

Selbstmitgefühl ist nicht Selbstmitleid oder Selbstrechtfertigung. Es geht darum, uns ein guter Begleiter zu sein, doch als solcher befinden wir uns auf einer Reise. Nachdem du Gefühle und Gedanken erkannt hast und akzeptieren kannst, dass deine Situation Teil des Lebens ist: Was würdest du dir wünschen? Wie soll es weitergehen? Wenn das so ist, worauf kommt es dann jetzt gerade an? Was wären die nächsten wichtigen Schritte (auch wenn es nur sehr kleine Schritte sind), die dir das Gefühl geben, du gehst in die richtige Richtung?

Bist du neugierig geworden oder hast noch Zweifel?

Selbstmitgefühl ist ein sehr umstrittenes Thema, das auch zu Missverständnissen führen kann. Falls du noch Fragen hast oder dieses Thema vertiefen möchtest, kannst du dich gerne bei mir melden.

de_DEDeutsch