Zwei Menschen ziehen sich gegenseitig an.

Hast du dich jemals zu jemandem hingezogen gefühlt und gar nicht verstanden, warum? In der Beratung höre ich das häufiger. Dabei beschreiben meine Klienten die Verwunderung über sich selbst. Meistens sind sie dabei total hin und weg. Nicht nur von der Person, auch von der gesamten Erfahrung, mit dieser Person zusammen zu sein, auch wenn sie sich sowas nie vorstellen konnten.

Unerwartete Anziehung: Wie kommt das?

Unsere Gefühle und Emotionen sind komplex. Oft sind sie das Ergebnis eines Zusammenspiels vieler Faktoren. Nicht nur biologisch und psychologisch, sondern auch sozial. Viele Faktoren spielen unterschiedliche Rollen dabei:

  1. Biologische Anziehung:

Evolutionär gesehen sind wir oft zu Menschen hingezogen, die Merkmale besitzen, die wir als gesund oder reproduktiv vorteilhaft empfinden. Diese Merkmale können unbewusste Reaktionen in uns hervorrufen, die auf den ersten Blick nicht logisch erscheinen.

  1. Psychologische Faktoren:

Unsere Erfahrungen und unser Unterbewusstsein spielen eine große Rolle bei der Partnerwahl. Manchmal fühlen wir uns zu Menschen hingezogen, die unbewusst unsere Kindheitserfahrungen oder ungelöste Konflikte widerspiegeln. Diese Muster können sowohl positiv als auch herausfordernd sein.

  1. Soziale Einflüsse:

Die Gesellschaft und Kultur, in der wir leben, beeinflussen ebenfalls, wen wir als attraktiv empfinden bzw. empfinden sollten. Medien, Freunde und Familie können Erwartungen und Ideale formen, die unsere Partnerwahl beeinflussen.

Wann tritt dieses Phänomen auf?

Das „Wann“ ist ebenso wichtig wie das „Warum“. Unerwartete Anziehung tritt häufig in Übergangsphasen oder Krisenzeiten auf, wenn Menschen nach Veränderung oder neuen Erfahrungen suchen. Dabei hat sich etwas in ihnen selbst verändert oder sie sehnen sich nach eigener Veränderung. Diese Zeiten der Unsicherheit oder des Wachstums können Türen zu neuen Möglichkeiten öffnen und dazu führen, dass wir Menschen in einem anderen Licht sehen.

In “The State of Affairs” beschreibt Esther Perel, wie wir uns zu bestimmten Lebensmomenten zu Menschen hingezogen fühlen, weil sie etwas haben, das uns in diesem Moment fehlt. Oder weil die Person, die wir geworden sind – oder die wir waren und heute vermissen – sich mit etwas identifiziert, was diese uns anziehende Person irgendwie verkörpert. Ganz schön verrückt, oder?

Anziehungskraft kann uns lehren

Das Phänomen der Anziehungskraft lehrt uns also eigentlich mehr über uns selbst als über die andere Person. Wichtig ist, offen zu bleiben und sich bei der Erfahrung Fragen zu stellen. Zum Beispiel: Was hat er/sie, was ich gerne hätte? Was sehe oder spüre ich hier, was ich in meinem Leben gerade vermisse? Womit identifiziere ich mich, trotz der großen Unterschiede? Egal, ob die Beziehung von Dauer ist oder nur eine flüchtige Begegnung, sie trägt zu unserem persönlichen Wachstum und unserer Selbsterkenntnis bei.

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