
Selbstakzeptanz als Schlüssel zur Überwindung
Eine Frage der Perspektive
Ich treffe in meiner Praxis auf immer mehr Menschen, die sich mit dem Imposter Syndrom identifizieren. Nicht immer im Job, sondern auch in persönlichen Beziehungen. Die Tendenz, sich mit anderen zu vergleichen und das Gefühl zu haben, nicht gut genug zu sein ist sehr verbreitet und kann großen Einfluss auf das Selbstwertgefühl und die mentale Gesundheit haben. Dabei richten wir den Fokus immer darauf was uns noch fehlt und wie wir noch besser werden müssen und vergessen den Blick auf die eigenen Ressourcen und was wir als Individuum mitbringen. Was wäre eine passende Alternative?
Was ist das Imposter-Syndrom?
Das Imposter-Syndrom beschreibt das Gefühl, dass eigene Erfolge und Fähigkeiten nicht gerechtfertigt sind und bald, als Betrug entlarvt werden könnten. Betroffene haben oft das Gefühl, dass sie ihre Leistungen nicht verdienen und nur durch Glück oder Zufall in ihrer Position sind. Diese ständige Angst, als „Hochstapler“ ertappt zu werden, kann sehr belastend sein und zu starker Selbstzweifel führen.
Imposter-Syndrom in Beziehungen
Auch in der Beziehung oder in einem bestimmten Freundeskreis können wir das Gefühl haben nicht gut genug zu sein oder, dass die anderen irgendwann merken werden, dass wir gar nicht der sind für den sie uns vermeintlich halten. Hier macht sich das Imposter- Syndrom oft dadurch bemerkbar, dass wir uns häufiger zurückziehen, die andere nicht „stören“ wollen oder immer wieder darüber nachdenken, wie wir uns profilieren können. Zum Beispiel, durch besondere Großzügigkeit oder mit der Motivation zu helfen, auch wenn vielleicht gar nicht danach gefragt wurde. Warum uns jemand liebt und akzepiert ist ja auch gar nicht so leicht zusagen. Noch schwerer wird es, wenn es jemandem selbst schwer fällt dich zu akzeptieren. Er oder sie denkt dann ständig, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die anderen auch merken, was alles nicht mit ihm/ihr stimmt. Dabei sind es oft Dinge, die Freunden oder dem Partner gar nicht so wichtig sind.
Die Rolle der Eigenheiten
Eigenheiten sehen wir oft als Makel, die wir verstecken wollen. Mir geht es hier aber auch um die Einzigartigkeiten und den Mix, der uns ausmacht. Wir können nicht so sein, wie andere und wir sind auch nicht für andere. Nehmen wir uns sowas vor, laufen wir ein Rennen, dass kein Ende nimmt, denn es wird immer Dinge geben, die uns unterscheiden. Unsere Eigenheiten beschreiben auch unseren eigenen Weg, Probleme zu lösen und die Rolle auszufüllen, in der wir grade glauben wir passen hier nicht hin. Dies ist ein wichtiger Schritt, im Umgang mit Imposter-Syndrom. Indem wir uns selbst besser kennenlernen und unsere individuellen Fähigkeiten und Strategien anerkennen, können wir ein gesundes Gefühl dafür entwickeln, wie wir in diesem bestimmten Kontext einen Beitrag leisten.
Praktische Schritte im Umgang mit Imposter-Syndroms
- Schreiben: Zum Beispiel in Form eines Tagebuchs oder zur täglichen Reflexion über bestimmte Fragen wie: Was war heute gut? Welche Situationen konnte ich heute gut lösen? Welche meiner persönlichen Fähigkeiten haben mir dabei geholfen? Es gehen auch kritische Fragen wie: Was möchte ich morgen anders machen? Oder was wünsche ich von mir für den morgigen Tag, um diese Situation zu bewältigen? Selbstkritisch zu sein, sollte nur nicht bedeuten sich klein zu machen, sondern eher zu akzeptieren, dass es normal ist Fehler zu machen und dass man immer auch an sich arbeiten darf.
- Feedback annehmen: Lerne, Komplimente und positives Feedback anzunehmen. Erinnern dich daran, dass andere deine Leistungen schätzen. Oder Frage dich selbst: Was würden meine Mitarbeiter dazu sagen, wie würden sie meine Arbeit einschätzen, wenn sie gefragt würden?
- Selbstreflexion: Nehme dir Zeit, um über deine Stärken nachzudenken und wie du diese in deinem Alltag einsetzen kannst. Spontan fällt dir da nicht so viel ein? Dann Google mal nach einer Liste von Fähigkeiten, Stärken oder persönlichen Werten und gehe diese durch. Dabei wirst du schnell auf neue Ideen kommen.
- Selbstmitgefühl: Sei freundlich zu dir selbst und verurteilen dich nicht für Fehler. Egal in welcher Position du dich befindest, du wirst immer noch Dinge haben, die du erst lernen musst, das bedeutet nicht, dass du hier nicht hingehörst.
Durch Authentizität zur Verbundenheit
Authentizität bedeutet, dass wir uns so zeigen, wie wir wirklich sind, ohne uns zu verstellen oder zu verstecken. Dies erfordert Mut und Selbstvertrauen, doch es ermöglicht uns, tiefere und bedeutungsvollere Beziehungen zu führen. Wenn wir authentisch sind, fühlen sich andere Menschen eher von unserer Ehrlichkeit und Offenheit angezogen, was zu einem stärkeren Gefühl der Verbundenheit führt. Dazu kommt, dass es sehr anstrengend sein kann, immer mit dem Hintergrund zu handeln, dass wir etwas beweisen müssen. Bist du an einem Ort, an dem du durch deine Authentizität nicht gut ankommst, möchtest du dort vielleicht sowieso nicht lange bleiben.
Übungen zur Stärkung der Authentizität
- Offene Kommunikation: Sprich offen über deine Gefühle und Gedanken mit deiner Partner*in und Freund*innen. Ehrliche Gespräche fördern das gegenseitige Verständnis und Vertrauen. Wenn du dich bei dem Gedanken offener zu sein noch unwohl fühlst, sie es erstmal als ein Experiment. Also versuch es einmal und vielleicht mit einer Person oder Kollegen, bei dem du mehr Vertrauen hast und beobachte was passiert.
- Grenzen erkennen und akzeptieren: Lerne, die eigenen Bedürfnisse und Grenzen zu erkennen und zu kommunizieren. Es ist ok, wenn du nicht alles so machen kannst wie es von dir erwartet wird. Du kannst auch Vorschläge machen, wie du es machen könntest. Respektiere deshalb auch die Grenzen anderer, ohne sie persönlich zu nehmen.
- Dankbarkeit und Anerkennung ausdrücken: Du musst deinen Freunden, Partner*in oder auf dem Arbeitsplatz nicht immer beweisen, dass du der richtige für den Job bist, du darfst aber immer dankbar sein, dafür, dass sie dich so annehmen wie du bist.
Spielerisch statt kompetitiv denken
Das Imposter-Syndrom zu überwinden, geht also nicht, indem wir immer wieder überlegen, wie wir noch besser werden können und was uns noch alles fehlt. Viel wichtiger ist der Blick auf die eigenen Fähigkeiten und deren Wertschätzung, denn diese haben dich tatsächlich dahin gebracht, wo du grade stehst. Das bedeutet nicht, dass du aufhören sollten zu lernen oder dein Wissen und Handeln nicht mehr in Frage zu stellen. Es geht eher um einen freundlicheren und spielerischen Blick auf die Situation. Du bist nicht in einem Wettrennen, sondern eher in einem beständigen Wachstumsprozess, du darfst zweifeln, überlegen und probieren. Du solltest aber auch wissen, was du schon alles mitbringst und worauf du dich verlassen kannst.